Die Rolle der Familie in der Medienerziehung
Die Familie ist der erste Ort an dem Kinder mit Medien Kontakt haben. Der innerfamiliäre Umgang mit Medien hat einen großen Einfluss auf die Kindheit.
Digitale Medien sind aus dem Familienalltag nicht mehr wegzudenken. Eine Safer-Internet Studie zeigt, dass der Erstkontakt mit Medien durchschnittlich im ersten Lebensjahr stattfindet. Eltern nutzen ihre Smartphones und Laptops täglich und sind somit Vorbilder. Kinder nutzen Tablet, Smartphone und Fernseher am häufigsten um Videos oder Fotos anzuschauen, Musik zu hören oder Spiele zu spielen. Aber nicht nur die Häufigkeit der Mediennutzung, sondern auch die Rolle der Familie hat sich in den letzten Jahren verändert. Doch wie hat sich diese verändert und wie beeinflusst dies die Mediennutzung?
Familie im Wandel
Das Konzept von Familie hat sich in den letzten Generationen geändert. Der Alltag der Familie ist zu einer "alltäglichen Herstellungsleistung" (Doing Family) geworden, was bedeutet, dass Familie sich jeden Tag durch Handlungen neu formt. Im Gegensatz zum defizitorientierten Fokus der früheren Familie wie Pflege, Betreuung und Erziehung, stehen heute andere Aspekte im Vordergrund. (vgl. Lange 2007, S. 41ff). Die Familie hat nicht mehr nur die Aufgabe die Grundregeln der Gesellschaft zu vermitteln, sondern ist vielmehr ein Ort an dem Strategien und Methoden der Lebensbewältigung mitgegeben werden, um in einer uneindeutigen und komplizierten Welt zurecht kommen zu können (vgl. Lange 2007, S. 44).
Eltern haben deshalb mit mehreren Aspekten zu kämpfen. Eine Familie zu gründen ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich, sondern oftmals eine bewusste Entscheidung. Eltern wollen daher den Kindern ein glückliches und erfülltes Leben bieten, andererseits sind Eltern unter Druck ihrem Kind einen guten Start fürs spätere Leben zu ermöglichen, indem sie zahlreiche Kompetenzen unterstützen (vgl. Lange 2007, S. 44). Verschiedene Familienformen, immer flexiblere Arbeitszeiten, die Erwerbstätigkeit beider Elternteile usw. machen den Alltag von Familien zu einer organisatorischen Meisterleistung, wobei keine Familie mit einer anderen vergleichbar ist.
Medien im Familienalltag
Medien spielen in Familien eine immer wichtigere Rolle. Lange (2007, S.41) beschreibt die Aufgaben der Medien innerhalb einer Familie folgendermaßen: "Medien sind Bestandteil dieses organisierten Alltags. Sie bieten Anlässe der Strukturierung und der Entspannung und können so die Akteure entlasten. Ebenso liefern sie Stoff für Diskussionen, Streit und Polarisierungen."
Medien werden für unterschiedliche Dinge in einer Familie eingesetzt und erfüllen verschiedene Funktionen, von der Organisation des Alltags bis hin zur Aneignung von Wissen ist alles möglich. Wofür Medien genutzt werden, hängt von den Einstellungen der Eltern gegenüber neuen Medien ab und auch davon, wie sie selbst Medien nutzen.
Einstellung gegenüber Medien
Die Art und Weise, wie Medien in der Familie genutzt werden, ist genauso vielfältig wie die Familien selbst. So gibt es Familien, in denen Kinder kaum bei der Mediennutzung begleitet werden, in anderen wiederum dominieren Regeln und Verbote. Wieder andere Familien setzen den Fokus auf die Bedürfnisse der Kinder und versuchen sie individuell zu unterstützen (vgl. Lampert 2016, S. 37)
Eltern als Vorbilder
Kinder beobachten ihre Eltern und/oder älteren Geschwister beim Umgang mit Smartphone, Computer und Co. Diese fungieren als Vorbilder und prägen durch ihren Umgang mit Medien – wie sie diese nutzen, konsumieren und einschätzen – das Nutzungsverhalten der Kinder.
Es kann vorkommen, dass Kinder eine Art eifersüchtiges Verhalten entwickeln oder digitale Geräte als Konkurrenz sehen, wenn Eltern zu viel Zeit damit verbringen. Es ist wichtig, dass Eltern digitale Geräte bewusst weg legen um Zeit mit dem Kind zu verbringen, sonst leidet die Eltern-Kind Beziehung darunter. (Mehr Infos dazu finden Sie auch in der Safer- Internet Broschüre "Medien in der Familie").
Eltern kann so eine wichtige Aufgabe vor Augen geführt werden: Kinder in der modernen mediatisierten Welt zu begleiten und ihnen Orientierung zu bieten. Und das geht nur in der gemeinsamen und bewussten Auseinandersetzung mit Medien.
Dies kann auch Inhalt eines Elternabends zum Thema Mediennutzung in der Familie werden. Mehr Infos dazu finden Sie unter "Elternarbeit in der Medienerziehung".
Tipp: Die Sendung mit der Maus hat sich ebenfalls mit der Nutzung von Smartphones bei Eltern und dessen möglichen Auswirkungen auf satirische Art und Weise in einem Video auseinandergesetzt. Das Video finden Sie hier.
"Sharenting"
In der MoFam-Studie zeigt sich, dass sich Eltern kaum ihrer Verantwortung hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre ihres Kindes bewusst sind, das Thema jedoch immer präsenter wird. In nur wenigen Familien gibt es bisher Regelungen wie mit Bildern der Kinder umgegangen werden soll und es wird auch kein Handlungsbedarf gesehen. Dies zeigt sich z.B. indem erste Ultraschallbilder bereits über Social Media Kanäle geteilt werden. Kinder haben ab dem ersten Tag das Recht auf Privatheit (Art. 16 UN Kinderrechtskonvention) und das Recht am eigenen Bild. (vgl. Eggert 2020, S. 27) Rat auf Draht hat diese Rechte gut zusammengefasst.
Problem "Digitaler Schnuller"
Neben der Konkurrenzsituation, die entsteht, wenn Eltern durch die Nutzung ihres Smartphones abgelenkt sind, stellt auch das Ruhigstellen von Kindern durch digitale Geräte ein ernstes Problem dar. Laut einer Safer-Internet-Studie werden Smartphones und Tablets zunehmend als „digitaler Schnuller“ verwendet, um Kinder zu beschäftigen oder zu beruhigen. Diese Praxis ist aus mehreren Gründen problematisch: Digitale Geräte sollten keine Erziehungsmaßnahme ersetzen, und gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Kinder mit problematischen oder nicht altersgerechten Inhalten konfrontiert werden.
Anforderungen und Aufgaben von Familien
"Die Familie als erste und wichtigste frühe Sozialisationsinstanz ist maßgeblich für die Prägung von Heranwachsenden. Sie ist für die Vermittlung demokratischer und moralischer Grundwerte und einer angemessenen Gesprächskultur verantwortlich" (Kratzsch 2020, S. 64)
Medieninhalte begleiten
Die Familie ist idealerweise ein Schutz- und Experimentierraum für Kinder, wo sie Dinge ausprobieren können und keinen Gefahren ausgesetzt sind (vgl. Kratzsch 2020, S. 65). Die beste Art Probleme vorzubeugen, ist Begleitung, Aufklärung und das regelmäßige gemeinsame Gespräch. Medienerziehung bedeutet, den Kindern beim Aufbau der Medienkompetenz sowie bei der Verarbeitung ihrer Medienerlebnisse unterstützend zur Seite zu stehen.
Eltern haben die Aufgabe ihren Kindern beim Umgang mit und der Auswahl von Medien Orientierung zu geben. Schließlich sind sie es, die den Kindern den Zugang zu bestimmten Medienangeboten ermöglichen oder verbieten (können). Dabei müssen auch die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder Beachtung finden. Nicht alle Angebote sind für uns Erwachsene auf den ersten Blick wertvoll. Und doch können sie Kinder in der Erfüllung bestimmter Entwicklungsaufgaben – wie etwa Aufbau der eigenen Identität oder Kennenlernen alternativer Konfliktlösestrategien – helfen.
Regeln vereinbaren
Wichtig ist es Kindern einen Raum zu bieten, in dem sie sich und den Umgang mit Medien ausprobieren und entfalten können und dabei nicht alleine gelassen werden. Die Familie als strukturgebendes Element kann durch die Vorgabe von klaren Regeln zu positiven gemeinschaftlichen Erfahrungen verhelfen (vgl. Kratzsch 2020, S. 65). Welche Regeln dabei vereinbart werden, hängt von der jeweiligen Familie und ihren Mediennutzungsgewohnheiten ab. Je nach Alter der Kinder können diese Regeln gemeinsam beschlossen werden, an die sich dann auch alle Familienmitglieder zu halten haben. Die Möglichkeit, Argumente für Ausnahmen zu äußern und diese gemeinsam zu diskutieren sollte gegeben sein.
Vom Konsumieren zum Gestalten
Smartphone und Tablet bieten mehr Möglichkeiten als nur reines Konsumieren von Videos oder das Spielen von Spielen. Zu viel Bildschirmzeit sollte vermieden werden. Um trotzdem digitale Medien zu nutzen und die Medienkompetenz zu fördern, können z.B. gemeinsam mit den Kindern Medienprojekte erstellt werden. Vom Dreh eigener Videos, Fotos machen und bearbeiten, sowie dem Recherchieren von Lieblingsthemen ist vieles möglich. Unter dem Punkt "Medienpraxis" finden Sie zahlreiche Ideen. Die Kinder lernen von der Handhabung bis hin zu technischem Hintergrundwissen vieles dazu.
Digitale Auszeiten schaffen und Alternativen anbieten
Die entwicklungspsychologischen Auswirkungen von Bildschirmzeiten sind wissenschaftlich noch nicht geklärt. Für die Entwicklung ist jedoch ein ausgeglichener Alltag mit z.B. viel Bewegung wichtig. So bieten sich auch medienfreie Aktivitäten an. Hierbei sollte immer das Alter und der Entwicklungsstand berücksichtigt werden.
Literatur
Eggert, Susanne (2020): Digitale Medien begleiten Familien von Anfang an. Ergebnisse des Familien-Medien-Monitoriing im Kontext der Studie "MoFam-mobile Medien in der Familie." In: Gross, Frederike von ; Röllecke, Renate (2020): Familienkultur smart und digital. Ergebnisse, Konzepte und Strategien der Medienpädagogik. Dieter Baacke Preis Handbuch 15. Kopead Verlag. S. 23-29
Lange, Andreas (2007): Das Kind in der Familie. Medienhandeln aus Sicht der Familienforschung. In: Theunert, Helga (Hg.) (2007): Medienkinder von Geburt an. Medienaneignung in den ersten sechs Lebensjahren. Kopaed Verlag. S. 41- 57
Lampert, Claudia; Rechnitz Marcel (2016): "In der Theorie ist das natürlich immer super einfach, aber in der Praxis...". Anforderungen an und Ansatzpunkte für eine gelingende Medienerziehung in der Familie. S. 37-46. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2016): Werkstattbuch Medienerziehung. Zusammenarbeit mit Eltern in Theorie und Praxis.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2016): Werkstattbuch Medienerziehung. Zusammenarbeit mit Eltern in Theorie und Praxis. https://www.gmk-net.de/wp-content/t3archiv/fileadmin/pdf/Materialien-Artikel/werkstattbuch2016.pdf (abgerufen am 21.8.2020)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2019): Gut hinsehen, gut zuhören, aktiv gestalten! Tipps für Eltern zum Thema Medienerziehung in der Familie. https://www.gmk-net.de/wp-content/uploads/2018/07/gut_hinsehen_und_zuhoeren_ratgeber_eltern_2019.pdf (abgerufen am 21.8.2020)
Röllecke, Renate ; Pielsticker, Anja (2012): Mit Medien leben lernen. Tipps für Eltern von Kindergartenkindern. Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfahlen. https://www.gmk-net.de/wp-content/uploads/2018/07/mit_medien_leben_lernen_dt_2012.pdf (abgerufen am 21.8.2020)
Kratzsch, Jörg; Burkhardt, Jessica (2020): Familie im Wandel. Herausforderungen des digitalen Zeitalters meistern. In: Gross, Frederike von ; Röllecke, Renate (2020): Familienkultur smart und digital. Ergebnisse, Konzepte und Strategien der Medienpädagogik. Dieter Baacke Preis Handbuch 15. Kopead Verlag. S. 61-67