Entwicklungspsychologische Grundlagen der Medienkompetenz

Um Medieninhalte verarbeiten und aufnehmen zu können, müssen entwicklungspsychologisch verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. Hier ein Überblick.

Bildungsangebote im Kindergarten müssen auf das Alter und den Entwicklungsstand der Kinder angepasst werden. Dies betrifft auch den Einsatz von Medien. Um Medienangebote und Medieninhalte aufnehmen und verarbeiten zu können, ist es notwendig, emotionale, kognitive und emotionale Kompetenz zu erwerben. Der Aufbau dieser Kompetenzen hängt von der Entwicklung der Kinder sowie der Reifung ihres Gehirns ab. Durch gezielte Übungen und möglichst unterschiedliche Formen des Lernens kann dieser Vorgang allerdings unterstützt werden (vgl. Charlton 2007,S.25ff.). Dies kann bereits im Kindergarten passieren.

Kommunikative Kompetenz

Kinder müssen erst lernen Symbole richtig zu deuten und zu interpretieren. Nur so können sie sich mittels Sprache und Gestik mitteilen und mit anderen kommunizieren. Gerade die Verständigung über Medien bzw. die Vermittlung von Medieninhalten ist auf universell gültige Symbole angewiesen.

Die ersten Interaktionsfähigkeiten von Säuglingen sind Schreien und Weinen und dadurch verdeutlicht das Kleinkind ob es etwas mag oder nicht. Ein weiterer Vorläufer der symbolischen Interaktion ist die Fähigkeit Gesichter zu erkennen und der Blickrichtung folgen zu können (ab dem 6. Lebensmonat). Dadurch erweitert sich die Interaktion zwischen Mutter/Vater und Kind um einen weiteren Teil z.B. ein Objekt. Dies ist für spätere Interaktionen sehr wichtig.

Am Ende des ersten Lebensjahr bildet sich die Fähigkeit an symbolischen Interaktionen teilzunehmen, da hier Kinder bereits eigene Gesten und Lauten ausgebildet haben um Absichten oder Bitten auszudrücken. 

Das Symbolverständnis wird etwa durch das gemeinsame und aktive Anschauen von Bilderbüchern oder auch durch gezielte Spiele gefördert. Das "stehende" Bild im Buch hat einige Vorteile gegenüber den bewegten Bildern eines Films, da das Tempo und der Inhalt von der vorlesenden Person auf die Entwicklung des Kindes abgestimmt werden kann und das Kind die Möglichkeit hat, zu interagieren (vgl. Charlton 2007, S. 26f.).

Kognitive Kompetenz

Die Entwicklung der kognitiven Kompetenz ist Voraussetzung dafür, dass Kinder Medieninhalte und ihre Bedeutung erfassen und sinnvoll verwenden können. Von Medium zu Medium werden andere Fertigkeiten gebraucht (vgl. Charlton 2007, S. 29ff.). Sie umfasst folgende drei Fähigkeiten:

Empathie

Die Fähigkeit sich in andere Menschen hineinversetzen zu können wird meistens ab der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahres das erste Mal beobachtet. Kinder beginnen andere Personen zu trösten und ein Selbstbild aufzubauen. Ab dem vierten Lebenjahr können Kinder zwischen dem eigenen und dem Wissen anderer unterscheiden. Nach und nach lernen Heranwachsende sich in die subjektive Perspektive von anderen Personen hineinzuversetzen. Ab dem zwölften Lebensjahr können Heranwachsende dann komplexeren Situationen (z.B. Diskussion zwischen mehreren Personen) folgen und analysieren. (vgl. Charlton 2007, S. 31)

Erzählungen folgen und verstehen lernen

Weiters ist es wichtig, ein Verständnis für Erzählschemata und auch Ereignisfolgen zu erlernen. Der regelgeleitete Aufbau von Situationen wie z.B. Routinen, wird im Laufe der Zeit immer komplexer. Zum dritten Geburtstag können Kinder meistens diese einfachen Routinen benennen. Das regelkonforme Verhalten wird zuerst im familiären Kontext in einigen wenigen Bereiche geübt. Nach und nach  werden diese Situationen dann in Kindergarten und Schule, durch den Kontakt mit anderen, erweitert.

Aber auch Erzählungen folgen bestimmten Regeln und weisen mehr oder weniger feste Muster auf. So orientieren sich Erzählungen in Medien "meistens an bestimmten, genrespezifischen Geschichten-Grammatik" (Charlton 2007, S. 31). Hier lernt das Kind verschiedene Formate kennen und eignet sich Wissen an um verschiedene Medienformate identifizieren zu können.

Daher ist das "Erzählt-bekommen" und das Erzählen für Kinder besonders wichtig, da die Kinder so lernen, Inhalte in eine logische und zeitliche Abfolge zu bringen und sinnvolle Zusammenhänge herzustellen. Ab dem zweiten Lebensjahr beginnen Kinder eigene Erlebnisse als auch Medienerlebnisse nachzuerzählen. Die ersten Erzählungen haben meistens keine logische und zeitliche Reihenfolge. Erst ab dem Alter von fünf Jahren findet man eine "Höhepunkt-Ende-Struktur" in den Erzählungen. Frühestens ab dem sechsten Lebensjahr sind dann komplexere Erzählungen mit Vorgeschichte usw. möglich.

Kommunikative Absichten erkennen können

Weiters ist es wichtig, die Absicht hinter eines Medienangebots analysieren zu lernen. Wird Wissen vermittelt oder ist eine Werbung? Kann der Inhalt als realistisch oder fiktiv eingestuft werden?  Gerade das Erkennen und Verstehen von Werbung spielt hierbei eine wesentliche Rolle. "Um Formate bzw. Genres korrekt identifizieren zu können, bedarf es sowohl eines medienbezogenen als auch eines gesellschaftlichen Wissens" (Charlton 2007, S. 33). Ideen wie Werbung im Kindergarten thematisiert werden kann, finden Sie unter Praxisideen "Internet & Werbung".

Emotionale Kompetenz

Nur wenn Kinder über emotionale Kompetenz verfügen, sind sie in der Lage sich selbständig für Inhalte, die sie interessieren, zu entscheiden und Themen, die ihnen eher Angst machen, zu erkennen und zu meiden.

Medienthemen sind besonders interessant wenn diese eigene Erfahrungen betreffen oder unbekannte aber riskante Handlungen darstellen. Kinder zwischen zwei und sechs Jahren interessieren sich für Themen rund ums versorgt/geliebt werden, selbstständig sein, auf eigene Leistungen stolz sein, jemanden versorgen dürfen aber auch Eifersucht und Wut. Studien haben gezeigt, dass Kinder passend zu ihren gerade aktuellen Alltagsthemen, Medieninhalte auswählen.  Ebenfalls kann es vorkommen, dass Kinder sich mit Medienhelden identifizieren und Charaktereigenschaften übernehmen. (vgl. Charlton 2007, S. 34)

Kinder meiden Medieninhalte, welche ihnen Angst machen könnten. Wovor Kinder jedoch Angst haben, ist sehr unterschiedlich. Angeborene Reizmuster oder der Aufbau des Films verhindern jedoch, dass Kinder sich rechtzeitig vor angstmachenden Inhalten schützen können. Der Zuschauer hat keine Zeit sich auf die Bedrohung vorzubereiten und deshalb sind Kinderfilme so aufgebaut, dass ein seh-erfahrenes Kind den weiteren Verlauf erahnen kann. Um Kinder in diesen Situationen zu unterstützen, ist es notwendig, dass eine erwachsene Begleitperson das Kind begleitet um in Gesprächen das Gesehene zu reflektieren (vgl. Charlton 2007, S. 34). Hierbei kann auch der Kindergarten unterstützen. Einige Ideen dazu finden Sie in der Praxisidee "Mein Medienheld". 

Folgen für die Medienerziehung im Kindergarten

Bei der Planung von Medienangeboten im Kindergarten ist es daher wichtig, die oben genannten Entwicklungsschritte zu berücksichtigen. Eine altersgemäße Entwicklung der Medienkompetenz wird von mehreren Faktoren beeinflusst (vgl. Charlton 2007, S. 37f). Wie z.B. die Hirnreifung, durch "Cognitive apprenticeship" (der Teilhabe an der Gesellschaft und Lernen durch Vorbild), durch Instruktionslernen und entdeckendes Lernen des Kindes.

Die Entwicklung der kommunikativen und kognitiven Kompetenzen entwickeln sich im Gegensatz zur emotionalen Kompetenz , sehr ähnlich und vorhersehbar. Die emotionale Kompetenz ist hier jedoch nicht vorherzusehen und entwickelt sich individuell unterschiedlich.

"Eine aufmerksame Begleitung von Kindern bei ihren ganz persönlichen Medienerfahrungen ist unverzichtbar" (Charlton 2007, S. 39).


Literatur

Charlton, Michael (2007): Das Kind un sein Startkapital - Medienhandeln aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie. In: Theunert, Helga (Hg.) (2007): Medienkinder von Geburt an. Medienaneignung in den ersten sechs Lebensjahren. Kopaed Verlag. S. 25 - 40

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