Digitale Medien im Kindergarten?

Gerald Lembke, Professor für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Mannheim, ist laut Interview in DER STANDARD vom 30. Mai 2016 der Ansicht, dass digitale Medien und mobile Endgeräte erst von Kindern frühestens ab 10 Jahren genutzt werden sollten. Warum das unserer Meinung nach nur bedingt stimmt, lesen Sie hier!

Im Rahmen der vom Arbeitsbereich Fachdidaktik Psychologie – Philosophie der Uni Wien von Konrad Paul Liessmann, Katharina Lacina und Elisabeth Widmer organisierten Vorlesungsreihe "Total Digital? Irrwege der neuen Lernkultur" referiert am 8. Juni Gerald Lembke, Professor für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Mannheim, am NIG in Wien. In diesem Zusammenhang ist auf derStandard.at ein <link http: derstandard.at digitalexperte-man-kann-smartphones-mit-drogen-vergleichen _blank link-icon-ext interview lembke: man kann smartphones mit drogen>Interview mit Lembke unter dem Titel "Digitalexperte Lembke: Man kann Smartphones mit Drogen vergleichen" erschienen. Darin vertritt er die Meinung, digitale Medien wie Tablets erst für Kinder ab zehn, zwölf Jahren in der Schule zur Verfügung zu stellen, da vorher die kognitive Entwicklung noch nicht weit genug sei, um damit medienkompetent umgehen zu können. Bis zu diesem Alter sei es wichtig "die reale Welt kennenzuzlernen und die basalen, kognitiven Qualifikationen, Rechnen, Schreiben, Lesen vernünftig zu lernen, den kritischen Umgang mit einem Printprodukt oder auch mit TV und Radio zu lernen und nicht auf dem Tablet.“ Außerdem betont er, dass "ein Kind vielleicht eine hohe Wischkompetenz, aber keine Medienkompetenz" hat, nur weil es ein Tablet zu bedienen weiß.

Was Medienerziehung im Kindergarten bedeutet

Den Kindern ein Tablet zur Verfügung stellen, sie darauf nach Lust und Laune spielen lassen und gleichzeitig darauf zu hoffen, dass sie sich in der Beschäftigung mit diesem einen kompetenten Umgang aneignen - das bedeutet Medienerziehung sicher nicht. Vielmehr geht es darum Fragen, die im Zusammenhang mit Medien relevant sind, zu thematisieren: Welche Absichten verfolgt die Werbung und wie kann ich sie im öffentlichen Raum, im TV oder im Internet erkennen? Bilden Fotos immer die Wirklichkeit ab? Warum ist es wichtig, die eigenen Daten nicht bedenkenlos weiterzugeben? Was ist ein Computer und wie denkt und arbeitet dieser? Ob die Beschäftigung mit diesen Fragen mit Unterstützung digitaler Medien passiert oder ganz ohne technische Ausstattung auskommt, ist dabei nicht so wichtig. Einen kritischen, mündigen und selbstbestimmten Umgang mit Medien anzubahnen, kann also auch ganz ohne die Arbeit mit dem Tablet oder die Nutzung des Internets auskommen.

Allerdings ist zu bedenken, dass die meisten Kinder schon im Kindergartenalter (und früher!) zu Hause erste Erfahrungen mit digitalen Medien machen – sei es beim Spielen mit dem Smartphone der Eltern oder beim Ansehen kurzer Videoclips auf YouTube. Digitale Medien und mobile Endgeräte gehören zur Lebenswirklichkeit der Kinder und diese kann und soll in Bildungsinstitutionen nicht außen vor gelassen werden. Geben wir den Kindern doch lieber von Anfang an die Möglichkeit einen kompetenten Umgang mit diesen zu erlernen, von ausgebildeten PädagogInnen begleitet und in einer geschützten, vertrauensvollen Umgebung. Hier haben wir die Möglichkeit auf die Fragen der Kinder einzugehen und auf Gefahren aufmerksam zu machen – und zwar gerade dann, wenn Kinder noch auf die Ratschläge der Erwachsenen hören und diese annehmen. In der Pubertät, wenn die Nutzung von Facebook, WhatsApp, Instagram und Co für viele schon selbstverständlich ist, ist es bei weitem schwieriger die Kinder zu erreichen und die Auseinandersetzung mit möglichen Risiken vielleicht bereits zu spät.

Den Mehrwert digitaler Medien im Kindergarten nutzen

Der große Vorteil mobiler Endgeräte ist es, dass mit diesen zeit- und ortsunabhängig gearbeitet werden kann und sie viele Funktionen vereinen. So kann das Tablet Ausflüge in Wald und Wiese begleiten und zur Dokumentation genutzt werden: Die Kinder können Fotos machen, Geräusche aufnehmen oder beobachtete Tiere und Pflanzen in einer App vermerken. Die Ergebnisse können gespeichert und - zurück im Kindergarten -  weiter bearbeitet werden.

Digitale Medien haben das Potential das Lernen und Entdecken der Kinder zu unterstützen, indem sie ihnen einen neuen Blick auf die Welt ermöglichen. Einfach zu handhabende USB-Handmikroskope ermöglichen den Kindern etwa das Auge einer Fliege genau zu betrachten und kleinste Strukturen zu erforschen. Digitale Medien können also auch als Erweiterung unserer Sinne Einsatz finden.

Digitale Medien sind Werkzeuge, die von den Kindern - ähnlich wie Stift und Papier – zur Hand genommen werden, um sich auszudrücken. Nutzen wir im Kindergarten die Chance den Kindern zu zeigen, dass digitale Medien weit mehr bieten, als das Spielen von Apps und Anhören von Musikclips. Stellen wir das kreative Tun in den Mittelpunkt und zeigen wir den Kindern, wie sie selbst Musik machen, Videos aufnehmen und Fotocollagen erstellen können. Dabei sollen digitale Medien immer nur ein Angebot unter vielen bleiben. So kann auch dem von Gerald Lembke angesprochenen Suchtfaktor, wenn er Smartphones mit Drogen vergleicht, entgegengewirkt werden, da diesen Geräten die Besonderheit und Exklusivität genommen wird.

Und nicht zuletzt können digitale Medien aktiv zur Kommunikation genutzt werden – und das über die Grenzen des Kindergartens und sogar des Landes hinweg. Das Internet schafft die Möglichkeit grenz- und institutionsüberschreitende Projekte durchzuführen und so andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen und gemeinsam zu arbeiten, zu lernen und zu spielen.

Unser Fazit daher: Am Tablet die Wischbewegung zu perfektionieren hat weder im Kindergarten noch später in der Schule Sinn. Steht ein pädagogisches Konzept mit definierten Lernzielen hinter dem Einsatz digitaler Medien und mobiler Endgeräte, können diese das kindliche Lernen unterstützen und unseren Blick auf die Welt und unser Repertoir an Kommunikations- und kreativen Ausdrucksmöglichkeiten erweitern. Außerdem kann durch eine frühe bewusste und pädagogisch begleitetete Auseinandersetzung mit digitalen Medien möglichen Riskien am effektivsten entgegengewirkt werden.

Am Donnerstag, den 9. Juni, hält Gerald Lembke im Rahmen der <link http: www.kindermuseum.at zoom-programmangebot sonderveranstaltungen-fuer-erwachsene link-icon-ext zoom lecture auf>15. ZOOM Lecture außerdem einen Vortrag im Zoom Kindermuseum im MQ, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Für Eltern, PädagogInnen und Interessierte. Eintritt ist frei! Keine Anmeldung erforderlich!

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